Gottlob ist es so nicht. Hypnose ist ein wunderbares Instrument, sich vom Alltag zu lösen, zu entschleunigen und zur Ruhe zu kommen. In einem hypnotischen Zustand fahren die körperlichen
Funktionen auf ein Mindestmaß zurück. Das Unterbewusstsein wird hervorgehoben, der Bereich, in dem die Hypnose arbeitet.
In der heutigen Zeit hat man den besonderen Wert der Hypnose erkannt. Sie wird zu medizinischen Zwecken eingesetzt, in der Geschäftswelt und auch im Spitzensport. Sie dient dazu, Menschen in
ihrem Auftreten positiv zu verändern, sie mental zu stärken und im Sport zu optimieren. Im Rahmen der Sporthypnose stehen mentale Prozesse, die die Leistung des Sportlers beeinflussen, im
Mittelpunkt. Durch die Hypnose ist es dem Sportler möglich, auf alle vorhandenen inneren Ressourcen zuzugreifen, bzw. neue Ressourcen zu entwickeln, um eine optimale Leistung zu erlangen.
Die Möglichkeiten der Sporthypnose sind vielfältig:
Bessere Identifikation mit dem Sport
Besserer Umgang mit Störungen
Steigerung des Selbstvertrauens und der Konzentration
Genaue Zieldefinition
Überwinden von Leistungsblockaden
Auflösen von fehlerhaften Bewegungsabläufen
Verbesserung von emotionalen, kognitiven und motivationalen Faktoren absolute Sicherheit im Training, Leistungseinbruch während des Wettkampfes
Bessere Entspannungsmöglichkeiten vor, während und nach dem Wettkampf und das richtige Verarbeiten von Misserfolgen
Sportliche Höchstleistungen sind nicht nur durch bewusste rationale Vorgänge zu erbringen, vieles muss auch unbewusst geschehen. Unser Bewusstsein kann nur bis zu drei Dinge gleichzeitig bearbeiten, die Kapazität unseres Bewusstseins ist leider begrenzt und unser Kurzzeitgedächtnis hat eine Dauer von ca. 20 Sekunden. Das heißt, nur das Bewusstsein im Zusammenhang mit einer so komplexen Sportart wie dem Reiten zu nutzen, ist viel zu wenig, um all die Dinge gleichzeitig zu erfassen, die notwendig sind, um eine gute und stabile Leistung zu erbringen. Das Unterbewusstsein hingegen hat unbegrenzte Kapazitäten und Speichermöglichkeiten. Es kann viele tausend Vorgänge gleichzeitig bearbeiten, ist also viel leistungsfähiger als unser Bewusstsein. Mit dem Bewusstsein und Unterbewusstsein ist es so, wie mit einem Eisberg. Ein Sechstel ist über Wasser (das Bewusstsein), der Rest ist unter der Wasseroberfläche (das Unterbewusstsein).
Würden wir also ausschließlich mit dem Teil arbeiten, der über Wasser ist, wäre ein großer Teil unserer Möglichkeiten gar nicht genutzt. Hinzu kommt, dass ein Tier in Bruchteilen von Sekunden Dinge erkennt und Entscheidungen treffen kann. Kommen wir nun lediglich mit unserem Bewusstsein daher, ist es ähnlich, wie wenn ein Mensch versuchen würde, zu Fuß eine Raubkatze zu fangen. Keine Chance. Unser Unterbewusstsein ist aber in der Lage Informationen mit einer Geschwindigkeit von ca. 150.000 km/h weiterzuleiten. Wären wir zu Fuß so schnell, wie unser Unterbewusstsein arbeiten kann, erhöhten sich unsere Chancen gewaltig, die Raubkatze zu fangen. Ziel ist es also, dem Unterbewusstsein die Regie über unseren Körper zu übergeben. Mit Hypnose ist diese Zielsetzung möglich. Die bewussten Abläufe werden auf das Wichtigste reduziert und all das, was im Unterbewusstsein gespeichert ist, kann nun optimal dazu zu kombiniert werden, so dass am Ende ein nahezu perfektes sportliches Ergebnis steht.
Durch die Hypnose ist es möglich, Dinge vom Bewusstsein ins Unterbewusstsein zu verlagern und dort zu verankern. So z. B. den Sitz des Reiters. Ist der in all seinen Einzelheiten abgespeichert, übernimmt das Unterbewusstsein mit seiner deutlich schnelleren Auffassungsgabe die Steuerung. Der Sitz des Reiters ist sozusagen ‘automatisiert‘, wie beim Autofahren. Man muss nicht mehr darüber nachdenken, wann und wie eine Bewegung eingesetzt werden muss. Die Konsequenz daraus ist, dass man sich ganz auf sein Pferd konzentrieren kann, den Rest macht das Unterbewusstsein.
In Zeitschriften und Büchern finden wir Berichte über die Losgelassenheit des Pferdes, dass man sich nach der Ausbildungsskala richten und das Pferd in korrekter Dehnungshaltung reiten soll, so
dass es sich vertrauensvoll an die Reiterhand nach vorwärts-abwärts streckt, denn nur das losgelassene Pferd ist in der Lage, eine tragfähige Muskulatur auf zu bauen.
Wo aber bleibt der Reiter? Es nutzt einem Pferd rein gar nichts, wenn der Reiter optisch vollkommen korrekt auf dem Pferd sitzt, dies aber eine (fest)gehaltene Position ist. Er sitzt dem
Pferd dann bei all seinen Bewegungen im Wege. Wie also soll ein Pferd da losgelassen und mit Spaß an der Bewegung in den Reitbahnen dieser Welt unterwegs sein? Mittlerweile rückt dieses
Problem immer mehr in den Focus von Trainern und Fachleuten. Es gibt heute schon Ausbildungen als Bewegungstrainer/-therapeut. Man hat erkannt, dass der Anfang immer der korrekte und
losgelassene Sitz des Reiters ist. Denn damit steht und fällt die gute Ausbildung des Pferdes, und sei es nur am Schluss, das letzte Quäntchen, das noch fehlt, damit das Pferd losgelassen und
sauber durch eine Traversale geht, oder es den Galoppwechsel taktrein springt.
Auch die FN befasst sich in Band 1, Grundausbildung für Reiter und Pferd, 29. Auflage 2012, mit dem
Thema der Losgelassenheit des Reiters. Darin heißt es unter Punkt 4.1.3:
Eingehen in die Bewegung des Pferdes:
Das Eingehen in die Bewegung des Pferdes bedeutet imstande zu sein, sich auf diese einzulassen. Voraus-setzungen für das Eingehen in die Bewegung sind:
Losgelassenheit und Gleichgewicht
Wahrnehmung der eigenen Körperhaltung
Wahrnehmung der einzelnen Bewegungen des Körpers
Erfühlen der Bewegung des Pferdes
den Bewegungen des Pferdes folgen
Das hört sich in der Theorie erst einmal sehr vernünftig an. Was aber bringt die Praxis?
Nickende Köpfe und hochgezogene Absätze, eine Hand, die immer wieder nach innen kippt. Der eine Reiter kämpft seit Jahren damit, dass er immer wieder nach unten schaut, der nächste bekommt es
einfach nicht hin, beim Galoppwechsel zügig sein Gewicht in die richtige Bewegungsrichtung zu verlagern, der Dritte bekommt seine Atmung nicht in den Griff. Solange der Reitlehrer dabeisteht
und immer wieder korrigiert, geht es, aber wehe man soll alleine reiten.
Das Problem an der Sache ist, dass durch diese immer wieder falsch ausgeführten Bewegungen in unserem Unterbewusstsein ein Bild davon gespeichert ist, wie der ¨richtige¨ Sitz sein soll. Da
unser Unterbewusstsein es uns aber immer recht machen möchte, fordert es unseren Körper also immer wieder auf, diese falsch abgespeicherten Bewegungen auszuführen. Es ist nichts anderes im
Angebot. Das ist, wie auf einer Speisekarte mit nur einem Menü, man kann das auch nur bestellen.
Wie kommt man also raus aus diesem Teufelskreis? Erst einmal durch üben, üben, üben. Je öfter man es schafft, eine Bewegung richtig zu machen, ist auch das Unterbewusstsein allmählich bereit,
das alte Bild zu überschreiben und den neuen Bewegungsablauf zuzulassen. Für diesen langen und auch oft steinigen Weg gibt es eine elegante Lösung: die Hypnose bzw. Sporthypnose.
Durch den Einsatz von Sporthypnose ist es möglich, dem Unterbewusstsein in kürzester Zeit das neue Bild vom korrekten Reitsitz zu vermitteln. Wie bereits erwähnt, möchte es uns unser Unterbewusstsein immer recht machen , und wird nun immer diese neue und auch einfachere Möglichkeit nutzen, den Reiter zu unterstützen. Damit sind wir auch schon auf der Praxisebene angekommen. Die Hypnose kann den Reiter, ohne großen Aufwand, in die Lage versetzen, losgelassen auf dem Pferd zu sitzen und es zu reiten, auch ohne Reitlehrer. Denn der Reiter, der den Weg der Sporthypnose nutzt, hat seinen eigenen Reitlehrer immer dabei. Sein Unterbewusstsein! Das ist von dem Tag an sein innerer Reitlehrer! Aus der Erfahrung unserer Kurse zeigt sich, das sich bei den Reitern, die den Weg der Sporthypnose genutzt haben, diese innere Stimme meldet: ¨setz dich gerade hin, atme weiter, mach das Bein lang.¨ Genau das ist das Ziel der Sporthypnose, dass man aus dem Inneren heraus genau weiß, was gerade zu tun ist und nicht erst auf der Bewusstseinsebene überlegt wird, was jetzt wohl sinnvoll wäre, denn dann ist es häufig schon zu spät. Das Pferd ist durchpariert, macht einen Taktfehler oder wird zu eng, da die Hand nicht schnell genug vorgegangen ist.
Den Anfang zur Losgelassenheit des Reiters macht immer die Atmung. Das Pferd besitzt noch diese Sensibilität, sofort zu spüren, wie es dem Reiter geht, was der Reiter macht. Es reagiert extrem empfindlich auf den Reiter, der nicht weiteratmet. Denn dieser Reiter verspannt sich und man kann dann nicht mehr von Losgelassenheit sprechen. Die Atmung unterliegt nicht dem Bewusstsein. Somit kann man sie über die Hypnose wunderbar ansteuern, da sie bereits im Unterbewusstsein angesiedelt ist. In der Hypnosesitzung ist es nun ein Einfaches, die Atmung des Reiters zu korrigieren, so dass er danach in der Lage ist, in nahezu jeder Situation des Reitens korrekt weiter zu atmen. Die Hypnose kann auch dazu genutzt werden, innere Bilder im Unterbewusstsein zu speichern. Viele Menschen können besser mit Bildern in ihrer Vorstellung arbeiten. Sally Swift empfiehlt in ihrem Buch „Reiten aus der Körpermitte“, sich ein weitverzweigtes Röhrensystem vorzustellen, durch das der Strom der Atmung beständig fließen kann. Das führt dazu, dass der Reiter sich in allen Bereichen des Körpers entspannen kann.
Ist die Atmung im Unterbewusstsein korrekt abgespeichert, ist der Bereich der Körperwahrnehmung dran. Diese ist wichtig für die Balance. Je besser man in der Lage ist, in der eigenen Mitte zu bleiben, desto besser gelingt die Einheit mit dem Pferd. Ausbalanciertes Sitzen führt dazu, dass so wenig wie möglich und so viel wie nötig Muskulatur beim Reiten benutzt werden muss. Auch da steht wieder die Losgelassenheit im Vordergrund, der Reiter kann über ein Minimum an Kraft, einen ausbalancierten Sitz erzielen. Über speziell ausgearbeitete Hypnosen ist es möglich, dem Reiter mehr Körpergefühl zu vermitteln. Der Reiter wird aufgefordert, in der Hypnose seinen eigenen Körper von innen zu erforschen. Wie fühlt er sich an, gibt es irgendwo Unwohlsein, Verspannungen, Blockaden? Durch diese Wahrnehmungsübungen weiß auch das Unterbewusstsein über den körperlichen Zustand Bescheid. Es ist nun in der Lage, im Zusammenspiel mit dem Bewusstsein, die optimale Balance für den Reiter herzustellen, egal in welcher Gangart oder welche Übung er gerade reitet. Ist die Atmung richtig und die Balance optimal, ist der Reiter in der Lage zu fühlen, was das Pferd unter ihm macht, wie es sich bewegt.
Der nächste Schritt hin zu einem losgelassenen Sitz, ist die richtige Positionierung der Knochen und Gelenke. In welcher Winkelung ist das Becken richtig, wie sind die Schultern optimal, liegt das Bein so, dass eine gute Hilfengebung möglich ist? Dafür ist es im Vorfeld natürlich notwendig, in der Theorie über diese Dinge Bescheid zu wissen. Danach kann man wieder über die Hypnose das Unterbewusstsein genau über das theoretisch gelernte Wissen informieren. Der Reiter kann in der Hypnose die Beweglichkeit des Beckens verbessern. Er ist in der Lage an der korrekten Aufrichtung des Oberkörpers zu arbeiten und er kann seinem Unterbewusstsein mitteilen, wie man den Kopf frei auf der Halswirbelsäule tragen kann, ohne zu verkrampfen. All das führt dazu, dass sich der Reiter danach ganz auf sein Unterbewusstsein verlassen kann, denn es wird immer versuchen, ihn optimal bei seinem Vorhaben, einen losgelassenen und ausbalancierten Sitz zu erzielen, unterstützen. Ist das Unterbewusstsein durch die einzelnen Hypnosen umfassend informiert, ist er auch schon da, der innere Reitlehrer.
Alois Podhajsky, einer der Leiter der Spanischen Hofreitschule Wien hat einmal gesagt: " Ein geschmeidiger und schmiegsamer, dabei aufrechter Sitz ist notwendig, um die richtigen Hilfen geben zu können und um das Gleichgewicht des Pferdes nicht zu stören. Es ist aber auch aus ästhehtischen Gründen erforderlich. Schon in der Ausdrucksform soll sich das Reiten als Kunst offenbaren. Reiter und Pferd müssen in allen Bewegungen das harmonische Bild der Verschmolzenheit zweier Lebewesen zeigen...."
Dieser Meinung ist nichts weiter hinzuzufügen. Um dieser Verschmolzenheit zweier Lebewesen auf einfache Art und Weise näher zu kommen, ist die Hypnose eine hervorragende Unterstützung. Denn der Reiter, der sich durch Hypnose auf sein Reiten vorbereitet hat, hat einen ganz entscheidenden Vorteil. Durch die Haltung und Unterstützung seines Unterbewusstseins hat er in seinem Inneren eine Vorstellung von Atmung, Balance und korrektem Sitz, von Losgelassenheit. Diese inneren Vorstellungen können sich dann in wirkliche Fähigkeiten wandeln, die dem Reiter dabei helfen, sein Talent zum Ausdruck zu bringen.
Christine Ziervogel
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